Unwirksame Kündigung des Arbeitsvertrages und wann Sie diese anfechten können
Wenn die Kündigung des eigenen Arbeitsvertrages ins Haus flattert, bricht für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eine Welt zusammen. In vielen Fällen stellt sich dann schnell die Frage nach der Wirksamkeit der Kündigung. Das gleiche Problem trifft Arbeitgeber, die sich von einem Arbeitnehmer trennen möchten und überlegen, ob eine geplante Kündigung wirksam wäre. Hier ist guter Rat häufig nur dann teuer, wenn ohne vorherige rechtliche Einschätzung und Beratung erst einmal eigenhändig losgelegt wird und juristische Unterstützung erst in einem späteren Verfahren zurate gezogen wird.
Erfahren Sie in unserem Artikel, wann eine Kündigung unwirksam ist und wann Sie eine unwirksame Kündigung anfechten können.
8 Gründe für eine unwirksame Kündigung vom Arbeitgeber
1. Die Kündigung erfolgt nicht in Schriftform
Natürlich kann ein Arbeitgeber seinem Arbeitgeber mündlich mitteilen, dass er entlassen wird, allerdings muss eine wirksame Kündigung immer schriftlich erfolgen. Das ist laut BGB in § 623 geregelt. Erfolgt die Kündigung nicht in Schriftform auf Papier, sondern nur mündlich, ist sie rechtsunwirksam.
Übrigens ist eine Kündigung auch dann unwirksam, wenn sie nur per E-Mail, SMS oder Fax versendet wird. Die Schriftform auf Papier sollte deshalb für eine wirksame Kündigung immer eingehalten werden.
2. Die Kündigungsfrist wurde nicht eingehalten
Bei einer Kündigung muss immer die jeweilige Kündigungsfrist eingehalten werden, die gem. § 622 BGB festgelegt ist. Alternativ sind aber auch abweichende Regelungen im Tarifvertrag oder im Arbeitsvertrag möglich, die berücksichtigt werden müssen. Eine falsch berechnete Kündigungsfrist kann die Kündigung des Arbeitsverhältnisses unwirksam machen.
Kündigungsfristen nach Betriebszugehörigkeit:
- 2 Jahre: einen Monat zum Ende eines Kalendermonats,
- 5 Jahre: 2 Monate zum Ende eines Kalendermonats,
- 8 Jahre: 3 Monate zum Ende eines Kalendermonats,
- 10 Jahre: 4 Monate zum Ende eines Kalendermonats,
- 12 Jahre: 5 Monate zum Ende eines Kalendermonats,
- 15 Jahre: 6 Monate zum Ende eines Kalendermonats,
- 20 Jahre: 7 Monate zum Ende eines Kalendermonats.
Anders verhält es sich bei der fristlosen Kündigung des Arbeitnehmers. Diese kommt nur bei besonders schwerwiegenden Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers zum Tragen. In dem Fall einer fristlosen Kündigung muss der Arbeitgeber die geltende Kündigungsfrist nicht einhalten. Die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses muss jedoch innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntwerden der Pflichtverletzung des Arbeitnehmers erfolgen. Andernfalls kann auch die fristlose Kündigung als unwirksam erklärt werden.
3.Verstoß gegen gesetzliches Verbot
Eine Kündigung kann auch „von sich aus“ gem. § 134 BGB unwirksam sein, soweit ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot vorliegt. In der Praxis kommen solche Fälle regelmäßig bei der Kündigung während der Schwangerschaft oder während der Elternzeit in Betracht. Für diesen Zeitraum sind Kündigungen per Gesetz verboten. Dies ergibt sich für Schwangerschaften aus § 17 MuSchG.
Welche Ansprüche Sie nach Rückkehr aus der Mutterzeit haben und ob Sie auf Ihren alten Arbeitsplatz zurückkehren dürfen, erfahren Sie in unserem Artikel Rückkehr an den Arbeitsplatz nach dem Mutterschutz.
Im Rahmen der Elternzeit gilt der Kündigungsschutz dann, wenn im Zeitpunkt der Kündigung die Voraussetzungen für die Elternzeit vorliegen (BAG, Urt. v. 12.05.2011, 2 AZR 384/10; Urt. v. 26.06.2008, 2 AZR 23/07). Neben den persönlichen Voraussetzungen der §§ 15, 16 BEEG kommt es vor allem auch auf das schriftliche Verlangen nach Elternzeit an. Das Fehlen eines schriftlichen Verlangens kann jedoch ausnahmsweise unbeachtlich sein, wenn beide Seiten vom Vorliegen einer „Elternzeit“ ausgehen (BAG, Urt. v. 26.06.2008, 2 AZR 23/07). Der Kündigungsschutz im Zusammenhang mit der Elternzeit beginnt 8 Wochen vor Beginn der eigentlichen Elternzeit, mit dem schriftlichen Verlangen des Arbeitnehmers. Soweit das Kind zum Zeitpunkt des Verlangens noch nicht geboren wurde, beginnt die Frist acht Wochen vor dem errechneten Geburtstermin (BAG, Urt. v. 12.05.2011, 2 AZR 384/10) Der Verstoß gegen dieses gesetzliche Verbot einer Kündigung führt automatisch zur Unwirksamkeit der entsprechenden Kündigung.
4. Verstoß gegen Treu und Glauben
Eine Kündigung kann auch wegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz von Treu und Glauben unwirksam sein. Dies ergibt sich aus den §§ 138, 242 BGB. In diesem Zusammenhang kommen insbesondere Begründungen für Kündigungen in Betracht, wie etwa die Homosexualität eines Arbeitnehmers bzw. Auszubildenden. Eine derartige Begründung einer Kündigung verstößt gegen den Grundsatz von Treu und Glauben und macht die Kündigung unwirksam. Derartige Fälle, in denen ein solcher Vorbehalt offen (schriftlich) als Kündigungsgrund genannt wird, sind jedoch eher die Ausnahme.
Ein weitaus häufigeres Themen für eine unwirksame Kündigung wegen eines Verstoßes gegen §§ 138, 242 BGB ist der evidente Verstoß gegen den Grundsatz der Sozialauswahl. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Sozialauswahl besteht, wenn ein Arbeitgeber die besseren Sozialauswahldaten eines Arbeitnehmers (wie Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, eventuelle Behinderungen) zugunsten eines anderen Arbeitnehmers ignoriert.
Grundsätzlich sind Kleinunternehmen mit weniger als 10 Arbeitnehmern nicht vom Kündigungsschutzgesetz umfasst und müssen demnach keine Sozialauswahl i.S.d. KSchG vornehmen. Eine Ausnahme gilt jedoch bei einem Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Danach ist jedem Arbeitnehmer ein Mindestschutz gewährleistet. Wenn dieser nicht gewährt wird, etwa bei einem evidenten Verstoß gegen die Grundsätze einer Sozialauswahl, kann ausnahmsweise auch in Kleinunternehmen eine Kündigung wegen mangelnder Sozialauswahl unwirksam sein nach §§ 138, 242 BGB.
5. Kündigung wegen Betriebsübergang
Ein weiterer Fall unwirksamer Kündigungen ist der Ausspruch einer Kündigung aufgrund eines Betriebsübergangs. Immer wieder sind Arbeitgeber versucht, wenn Sie Ihren Betrieb veräußern, „teuren“ Arbeitnehmern zu kündigen, um das eigene Unternehmen für einen Interessenten attraktiver zu gestalten. Eine derartige Kündigung ist gem. § 613a IV S. 2 BGB unwirksam.
6. Der Betriebsrat wurde nicht angehört
Wenn es im Unternehmen einen Betriebsrat (Personalrat, Mitarbeitervertretung) gibt, muss der Arbeitgeber diesen vor jeder Kündigung korrekt anhören. Gewährleistet der Arbeitgeber keine korrekte Anhörung des Betriebsrates, kann eine Kündigung als unwirksam erachtet werden.
Der Betriebsrat muss für alle Kündigungen angehört werden. Das gilt also für:
- ordentliche Kündigungen
- fristlose Kündigungen
- Änderungskündigungen
- Kündigungen während der Probezeit
7. Einzel-/ tarifvertraglicher Kündigungsausschluss
Das Recht einer ordentlichen Kündigung ist grundsätzlich von Gesetzes wegen gegeben. Dieses kann jedoch einzelvertraglich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer oder aufgrund eines geltenden und einbezogenen Tarifvertrages ausgeschlossen sein. Wenn und soweit dennoch entgegen einer derartigen Vereinbarung eine Kündigung ausgesprochen wird, ist eine derartige Kündigung unwirksam. Ein Beispiel wäre etwa die Regelung zu langjährigen Arbeitnehmern im Bereich des TVöD gem. § 34 Abs. 2 TVöD.
8. Kündigungsschutzklage
Der wohl häufigste Grund für die Unwirksamkeit einer Kündigung ist die erfolgreiche Erhebung einer Kündigungsschutzklage nach § 4 KSchG. Dies ist der zulässige gerichtliche Rechtsbehelf gegen eine ausgesprochene Kündigung. Dies gilt auch für Arbeitnehmer, die ansonsten nicht unter das Kündigungsschutzgesetz fallen, etwa weil der Betrieb ihres Arbeitgebers keine 10 Mitarbeiter beschäftigt.
Unwirksame Kündigung anfechten – das müssen Sie beachten
Grundsätzlich kann eine Kündigung wie jede andere Willenserklärung auch nach den Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) angefochten werden. Dies wird beispielsweise dann in Betracht kommen, wenn Arbeitnehmer oder Arbeitgeber eine Kündigung ausgesprochen haben und im Nachhinein Kenntnis von Umständen erlangen, die darauf hindeuten, dass die eigene Kündigung (Willenserklärung) nur aufgrund einer arglistigen Täuschung oder eines Irrtums erklärt worden ist. In derartigen Fällen kann eine Anfechtung der eigenen Kündigung gem. § 119 BGB oder § 123 BGB in Betracht kommen.
Aber auch, wenn einer der oben genannten Gründe für eine unwirksame Kündigung vorliegt, ist die Anfechtung der Kündigung möglich und sinnvoll.
Mit einer sogenannten Kündigungsschutzklage kann durch das Arbeitsgericht die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt werden.
Sofern die Anfechtung wirksam ist, wird die zuvor erklärte Kündigung ex tunc, also von Anfang an unwirksam. Es wird insoweit der Rechtszustand hergestellt, als wäre die Kündigung nie ausgesprochen worden.
Abfindungsanspruch bei Kündigung des Arbeitsvertrages
Wir zeigen Ihnen, wann Sie Anspruch auf eine Abfindung haben und wie hoch die Abfindung in verschiedenen Fällen ist.
1. Regelabfindung bei betriebsbedingter Kündigung
Das deutsche Recht kennt für den Fall einer betriebsbedingten Kündigung des Arbeitsverhältnisses einen Regelabfindungsanspruch. Dieser ergibt sich aus § 1a KSchG. Der Regelabfindunganspruch beträgt ein halbes Monatsgehalt (Bruttogehalt) je Jahr der Betriebszugehörigkeit. Der Anspruch ist jedoch an Bedingungen geknüpft.
- Bedingung 1: Es muss sich um eine betriebsbedingte Kündigung handeln. Dies ist eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus Gründen, die im Betrieb des Arbeitgebers liegen und die auf einer Unternehmerentscheidung beruht.
- Bedingung 2: Der Arbeitnehmer darf binnen der geltenden 3-Wochen-Frist i.S.d. § 4 S. 1 KSchG keine Kündigungsschutzklage erheben.
- Bedingung 3: In der Kündigungserklärung muss der Arbeitgeber darauf hinweisen, dass die Kündigung auf dringende betriebliche Erfordernisse gestützt ist und der Arbeitnehmer bei Verstreichenlassen der Klagefrist die Abfindung beanspruchen kann.
Sind diese drei Voraussetzungen erfüllt, kann der Arbeitnehmer eine Abfindung i.H.v. 0,5 Monatsbruttogehältern pro Jahr seiner Betriebszugehörigkeit verlangen. Maßgeblich ist das zuletzt bezogene Bruttogehalt.
2. Höhe des Abfindungsanspruchs bei Kündigung des Arbeitsverhältnisses
Die vorstehend genannte Regelung zur Abfindung bei Klageverzicht im Falle einer betriebsbedingten Kündigung stellt jedoch mitnichten das Ende der Fahnenstange für den Arbeitnehmer dar. Wichtig ist insbesondere, die tatsächliche rechtliche Wirksamkeit der jeweiligen Kündigung durch einen Rechtsanwalt überprüfen zu lassen, denn die rechtliche Wirksamkeit der Kündigung hat maßgeblichen Einfluss auf die letztlich tatsächlich zu erwartende Abfindung.
Wenn sich eine Kündigung, ganz gleich ob betriebs- personen- oder verhaltensbedingt, nach eingehender rechtlicher Prüfung als „höchstwahrscheinlich unzulässig“ erweist, kann eine Klageerhebung ratsam sein. Dies bedeutet zunächst womöglich den Verzicht auf die Regelabfindung nach § 1a KSchG. Dafür ist jedoch im Rahmen des arbeitsgerichtlichen Verfahrens eine zum Teil vielfach höhere Abfindung möglich. Dies rührt daher, dass sich viele Arbeitgeber im Rahmen des Kündigungsschutzprozesse durch einen Vergleich und die Zahlung einer deutlich höheren Abfindung das Risiko abkaufen lassen, dass das Arbeitsgericht die Kündigung möglicherweise für unwirksam erklärt.
Zugleich besteht für den Arbeitnehmer das Risiko einer Klageabweisung. Dies geschieht wenn das Arbeitsgericht die Kündigung für wirksam erachtet. Dann erhält der Arbeitnehmer gar keine Abfindung. Dies macht deutlich, weshalb eine vorherige Prüfung der Erfolgsaussichten einer Klage durch einen Rechtsanwalt besonders ratsam ist.
Die Höhe der letztlich zu erwartenden Abfindung richtet sich daher ganz überwiegend nach den Erfolgsaussichten einer Kündigungsschutzklage.
3. Obergrenze für Abfindung bei Kündigung des Arbeitsverhältnisses
Auch eine klare Obergrenze für eine Abfindung kennt das deutsche Arbeitsrecht nicht. In vielen Fällen kann jedoch die Regelung des § 10 Abs. 1 KSchG als solche gesehen werden.
Danach ist, vorbehaltlich der weiteren Absätze der Norm eine Abfindung von bis zu 12 Monatsverdiensten bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch Urteil anzusetzen. Dies betrifft genau genommen die Fälle des § 9 KSchG. Danach löst das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers oder des Arbeitgebers, bei Vorliegen entsprechender Gründe durch ein Urteil das Arbeitsverhältnis auf. Insoweit kann ein Arbeitgeber, soweit die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG vorliegen, die Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch ein Urteil beantragen und damit im Regelfall die Abfindung auf maximal 12 Monatsgehälter begrenzen.
Gerne beraten wir Sie zu den Möglichkeiten einer Anfechtung der Kündigung vom Arbeitgeber und der Kündigungsschutzklage.
Und auch für Arbeitgeber bieten wir Rechtsberatung in Sachen Kündigungsschreiben an, damit eine unwirksame Kündigung gar nicht erst zu Problemen führt.
Kontaktieren Sie uns gerne telefonisch unter 0231 – 56 777 294 oder schreiben Sie uns eine Mail an kanzlei@stahm-rechtsanwaelte.de und wir helfen Ihnen kompetent und freundlich weiter.
Bitte bedenken Sie stets, dass unsere Artikel Ihnen nur einen kleinen Einblick geben und Sie für bestimmte Themen sensibilisieren sollen. Die Artikel werden durch unsere Rechtsanwälte zum Zeitpunkt der Veröffentlichung nach bestem rechtlichen Wissen und Gewissen verfasst. Aufgrund sich immer wieder ändernder Rechtsprechung und Gesetzeslagen kann jedoch keine Gewähr für die Richtigkeit aller Angaben übernommen werden. Die Ausführungen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit und können keinesfalls eine ausführliche und individuelle Rechtsberatung durch einen unserer Rechtsanwälte ersetzen.